Von Rolf Bona & Sabina Crameri
Die Gefahr eines Sturzes nimmt im Alter zu. Der Körper verändert sich mit zunehmendem Alter – die Muskeln werden schwächer, der Gleichgewichtssinn lässt nach, die Sehkraft nimmt ab und der Kreislauf ist gelegentlich gestört. Aber nicht nur der Alterungsprozess erhöht das Sturzrisiko, auch Krankheiten und Medikamente. Ab 65 Jahren steigt das Sturzrisiko rapide an. Je hochaltriger eine Person ist, desto höher ist das Sturzrisiko. 50 % der Seniorinnen und Senioren über 80 stürzen durchschnittlich einmal pro Jahr. Menschen in Altersheimen stürzen im Mittel sogar zweimal jährlich.
In der Schweiz verunfallen jedes Jahr rund 80’000 Menschen über 65 Jahre und benötigen in der Folge ärztliche Behandlung. Stürze sind mit 83 % die häufigste Unfallart und haben sehr oft eine Schenkelhalsfraktur zur Folge – zum Teil mit drastischen und langwierigen Folgen. In den USA sind Stürze die häufigste Ursache für Unfalltod und die siebthäufigste Todesursache bei über 65-Jährigen. 2020 waren Stürze in den USA für direkte und indirekte Kosten in der Höhe von 68 Milliarden US-Dollar verantwortlich. Über die Höhe der Kosten in der Schweiz gibt es keine genauen Zahlen, es kann aber davon ausgegangen werden, dass diese im hohen dreistelligen Millionenbereich liegen. Es ist allerdings bekannt, dass Stürze ohne fatale Folgen für 40 % der Einweisungen in Pflegeheime verantwortlich sind.
Die aus einem Sturz resultierenden medizinischen Folgen sind oft schwerwiegender als der Sturz selbst. Der Körper erholt sich im Alter langsamer und ist weniger widerstandsfähig. Ein Sturz ist für viele ältere Menschen das einschneidendste Erlebnis ihres späteren Lebens. Sich unvermittelt und hilflos am Boden liegend vorzufinden bereitet nicht nur Angst und Schmerzen, sondern kann auch ein vormals positives Lebensprogramm komplett aus dem Gleichgewicht bringen. Es bedeutet nicht selten eine massive Einschränkung der Lebensqualität, den Verlust der Selbstständigkeit und infolge reduzierter Aktivität den Verlust sozialer Kontakte.
Ein Sturz kann den Rückzug aus dem aktiven Leben einleiten, das Selbstwertgefühl zerstören und Perspektivlosigkeit und Depressionen aufkommen lassen. Umgangssprachlich ist bekannt, dass ein Sturz im Alter nicht nur die Knochen bricht, sondern auch das Selbstvertrauen. Nach einem Sturz fürchten sich ältere Menschen oft davor, erneut zu stürzen. Dies kann die Mobilität zusätzlich einschränken, weil kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten mehr besteht. Die Gefahr eines erneuten Sturzes vervielfacht sich dadurch. Ausserdem leben Seniorinnen und Senioren häufig alleine. Etwa die Hälfte der älteren Menschen, die stürzen, kann ohne Hilfe nicht mehr aufstehen. Aus diesem Grund kommt es oft zu einem «Long Lie», also eine Situation, in der eine Person nach einem Sturz länger als eine Stunde liegen bleibt. Wegen der Vielfalt und der Schwere der möglichen Folgen ist es wichtig, einem Sturz bestmöglich vorzubeugen. Es gibt mehrere Ansätze, die das Sturzrisiko sowie die Folgen eines Sturzes wirksam senken können. Das Sturzpräventionsprogramm «Sicher durch den Alltag» der Rheumaliga Schweiz zeigt auf, dass das Sturzrisiko im Alltag in grossem Umfang reduziert werden kann.
Ein ebenso wichtiger Faktor ist die Verkürzung der Liegezeit, falls es trotzdem zu einem Sturz kommen sollte: Je länger die Liegezeit, desto schwerwiegender die Konsequenzen und höher die Mortalität.
Längere Immobilität kann bereits nach einer Stunde insbesondere bei älteren Menschen zu verschiedenen Komplikationen führen und das Sterberisiko erhöhen. Wenn eine Person über einen längeren Zeitraum immobil bleibt, ist sie anfällig für eine Reihe von Problemen wie Druckgeschwüre, Dehydration, Atemprobleme, Muskelabbau, Lungenentzündung, Harnwegsinfektionen und Blutgerinnsel. Zusammengefasst werden solche Komplikationen häufig als Liegetraumen betitelt. Die Dauer der Liegezeit hat starke Auswirkungen auf die Mortalität, auch wenn der eigentliche Sturz nicht fatal war.
Weitere Untersuchungen von Seniorinnen und Senioren, die nach einem Sturz in ein Krankenhaus eingewiesen wurden, zeigten auf, dass der Altersmedian bei 76 Jahren und die Liegezeit im Durchschnitt bei 13,5 Stunden lag. Von diesen Patientinnen und Patienten wurden über 65 % auf die Intensivstation aufgenommen, wo die Letalität 50 % betrug. In einer Studie mit 125 Erwachsenen über 65 Jahren konnte festgestellt werden, dass die Hälfte derjenigen, die länger als eine Stunde auf dem Boden lagen, innerhalb der folgenden sechs Monate starben, auch wenn sie sich bei dem Sturz nicht direkt verletzt hatten.
Auch wenn Stürze im Alter nicht gänzlich vermieden werden können, ist die Liegedauer nach einem Sturz ein entscheidender Faktor im Hinblick auf schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen. Je kürzer die Liegezeit, desto höher die Chance, dass das Leben weiterhin in gleicher Art und Weise fortgeführt werden kann. Rund 50 % der nach einem Sturz ins Krankenhaus eingelieferten Seniorinnen und Senioren werden vorübergehende pflegebedürftig, bei 20–30 % entsteht sogar ein dauerhafter Pflegebedarf. Hier kann ein Notrufgerät die entscheidende Komponente sein, um die Liegezeit nach einem Sturz zu verringern und die Auswirkungen auf das spätere Leben der Patientin oder des Patienten zu minimieren.
Persönliche Notrufsysteme, auch bekannt als medizinische Alarmsysteme oder Hausnotrufe, bieten älteren Menschen die Möglichkeit, mit nur einem Knopfdruck Hilfe zu rufen. Sturzsensoren in den Geräten können das System auf einen Sturz aufmerksam machen, selbst wenn die Person nicht mehr in der Lage ist, den Knopf zu drücken. Die GPS-Ortung kann dem Pflegepersonal oder den Familienmitgliedern helfen, Angehörige zu finden, insbesondere wenn diese dazu neigen, sich zu verirren.
Das einfache Design von Notrufgeräte wurde nicht nur entwickelt, um den unterschiedlichen Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung gerecht zu werden, sondern es umgeht auch die technischen Barrieren, die moderne Geräte wie Telefone, Smartphones oder Smartwatches für viele Menschen im höheren Alter darstellen. Ein Notrufgerät trägt nachweislich dazu bei, unnötige Krankenhauseinweisungen und Notaufnahmen zu vermeiden und ist eine lebensrettende, vernetzte und zuverlässige Pflegetechnologie.
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